Es geschah am Ostersonntag.
Und Brenninger radelte durch das oberbayerische Oberland. Als es plötzlich „Wuuuuuuuusch!!!!“ machte und er von etwas überholt wurde, das sich rasend rasch wieder von ihm entfernte. Ein 7er-Zug!
Ein 7er-Zug ist nicht etwa der 7 Uhr-Zug der Bayerischen Oberlandbahn, der täglich von Holzkirchen nach Lenggries dahinBOBt. Sondern ein 7er-Zug ist ein Begriff aus dem Rennrad-Metier: wenn sieben Strampler gemeinsam einen Zug bilden:
Einer fährt vorneweg und die sechs anderen ganz dicht im Windschatten hinterher. Nicht einer nach dem anderen wie bei einem Zug, sondern eher fächerartig. Weshalb es eigentlich ein 7er-Fächer heißen müsste. Aber Zug dünkt halt dynamischer. Jedenfalls:
Der Vorderste tritt in höchster Power, der er mächtig ist, in die Pedale. Fühlt er sich nicht mehr kräftig genug, das Zugpferd zu geben, so fährt er zur Seite und lässt sich an das Ende des 7er-Zuges zurückfallen, um im Windschatten wieder zu Energie zu gelangen.
Ein faszinierender Anblick, so ein 7er-Zug. Und wie gesagt: „Wuuuuuuuusch!!!!“ – wenn man einem begegnet. Der einen mit 40 bis 50 km/h überholt.
Das Beschränkende an so einem 7er-Zug ist, dass am Tag vor der gemeinsamen Radtour unbedingt auf Knoblauch- und Sauerkraut-Verzehr verzichtet werden sollte. Denn in einer Gemeinschaft dicht an dicht folgender Ärsche gilt es Rücksicht auf die Hintermänner zu nehmen.
Was natürlich in gleichem Maße für Corona gilt. Wenn der Frontmann (oder die Frontfrau, es sind oftmals gnadenlos fitte Sportlerinnen dabei) hustet oder niest – wird es sich kaum vermeiden lassen, dass die anderen das eine oder andere Tröpfchen abbekommen. Ob es dabei hilft, in die Armbeuge sich zu erleichtern, darf bezweifelt werden. Aber vielen Rennradlern ist vieles außerhalb ihres Rad-Lebens herzhaft egal. Und manche von ihnen werden in ihrem Kurbel-Wahn sogar hoffen, dass sie der Doping-Cocktail ja vielleicht gegen das Corona-Virus immun macht.
Als der Brenninger nach Hause kam, erzählte er leuchtenden Auges seiner Frau, was ihm begegnet war. „Ein 7er-Zug!“
Seine Frau:
„Aber solche Gruppen-Ausflüge sind doch verboten! Das wäre nur legal, wenn ein Vater mit seiner Gattin und den fünf Kindern, die alle im selben Haushalt zusammenleben, einen 7er-Zug bilden!“
Brenninger: „Und Du glaubst nicht, dass die alle im selben Haushalt leben, die ich heute gesehen habe?“
Sie: „Nein!“
Er (wütend): „Warum musst Du IMMER NUR das SCHLECHTE im Menschen annehmen! Es kann doch genauso gut sein, dass das eine schwule 7er-Radrennfahrer-WG ist!“.
Sie: „Davon habe ich noch nie gehört, dass es sowas gibt! Wenn, dann sind die höchstens asexuell, weil ihr Leben sich ausschließlich um Ketten und Ritzeln statt um Ritzen dreht!“
Gelegentlich vergaß Frau Brenninger sich in ihren Ausdrücken – was der Brenninger jedoch sehr liebte.
„Und unfruchtbar sollen ja auch viele von denen sein“, gestand Brenninger deshalb versöhnlich zu. „Wegen der Sättel.“
Frau Brenninger nickte. Und erhob sich von der Couch, auf der sie sich während Brenningers Ausflug einem TV-Thriller hingegeben hatte. „Ich geh jetzt mein Rad aufpumpen“, sagte sie. „Dann machen wir morgen einen 2er-Zug!“
Brenninger nickte, strich den Knoblauch wieder von seinem Kochplan und freute sich jetzt bereits darauf, wenn sie morgen gemeinsam einen Einzelnen überholen würden:
„Wuuuuuuuusch!!!!“.
Na ja, gestand er sich ein – es würde wohl eher ein „Wuuschchen“ sein.
Aber immerhin.
Jupp Suttner
Wer den Brenninger nicht kennt: Der ist 47 Jahre jung, 1,77 m groß, bisweilen bis zu 80 kg schwer und ein typischer Freizeitsportler. Er ist auch oftmals auf Reisen. Was er unterwegs und zu Hause erlebt, lesen Sie jeden Dienstag auf Reise-Stories.de – niedergeschrieben von Jupp Suttner. Wobei schon allein am Alter ersichtlich ist, dass der Autor NICHT der Brenninger ist. Wer genau hinter B. steckt – wer weiß das schon…